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Die Überlieferung schreibt einem Traum
des Malers Gao Qipei (1672-1734) die Eingebung für die
Entwicklung einer ganz eigenen Malweise zu. Er ließ den
Pinsel beiseite, um nur noch mit den Fingern und den Händen zu
malen. Diese Technik ist keineswegs seine Erfindung. Bereits in der
Tang-Dynastie versuchten sich vor rund 1.500 Jahren einige exzentrische
Künstler daran. Selbst der erste Qing-Kaiser Shunzhi
(1638-1661) soll sie ausgeübt haben. Dennoch wird Gao Qipei in
China als der eigentliche Begründer der Fingermalerei verehrt,
da niemand vor ihm diese Technik so ausschließlich nutzte und
ein so hohes Maß an Popularität damit erreichte.
Seinem Beispiel folgten andere Maler wie sein Neffe Zhu Lunhan
(1680-1760). Sogar Einflüsse auf die japanische Malerei lassen
sich nachweisen. Auch in der Gegenwart üben sich zahlreiche
Maler in Ostasien in dieser besonderen Technik. Vielfach
überlagert aber die „artistische" Faszination der
Fingermalerei ihren künstlerischen Anspruch. Sie ist kein Stil
sonder nur eine technische Eigenheit auf dem Weg des Malens, die diesen
allerdings um eine besonders intensive Erfahrungswelt bereichert. Der
Wunsch nach größerer Unmittelbarkeit des
Schaffensprozesses steht im engen Zusammenhang mit daoistischen und
chan-buddhistischen Auffassungen. Ein altes Sprichwort sagt:
„Für jemanden, der gewohnt ist, sein Wasser mit der
hohlen Hand zu schöpfen, gehört eine Kelle schon zur
Welt der Verblendung." Mit der Eliminierung des letzten Werkzeugs
gelingt der direkte Kontakt zu den Malmitteln Tusche, Wasser und
Papier. Allerdings muß der so arbeitende Künstler
einige Einschränkungen hinnehmen. Die Flexibilität
und Lauflänge der Linien ist deutlich eingeschränkt,
ebenso die Aufnahmefähigkeit von Tusche und Wasser durch die
Oberfläche der Hand. Daher sind immer nur kurze
Ansätze möglich, die schnell auslaufen. Die
Einschränkungen der Ausdrucksmöglichkeiten
können von einem geübten Künstler aber
überwunden werden, so daß sie keineswegs dem Bild
schaden. Richtig gemeistert, bietet die Fingermalerei vielmehr ein
faszinierendes Ausdruckmittel, daß den
Schaffensprozeß entscheidend bereichern kann.
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